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Warkus' Welt: Der Wert des Geldes

Obwohl Geld nach allgemeiner Auffassung nicht glücklich macht, streben doch die meisten Menschen danach, ihr Einkommen zu maximieren. Zwischen den Kalendersprüchen, die wir uns an die Wand hängen, und unserem Tun klafft eine Lücke, bemerkt unser Kolumnist.
Euromünzen zu einem schiefen Turm aufeinandergestapelt
Auch in der Philosophie geht es manchmal ums Geld.

Wenn man auf der Straße herumfragen würde, worum es in der Philosophie normalerweise so geht, würden vermutlich die wenigsten Passanten von Geld sprechen. Die Philosophie beschäftigt sich nach landläufiger Auffassung doch eher mit Themen wie Wahrheit, Sinn, Gut und Böse, also mit weniger »materiellen« Angelegenheiten.

Trotzdem oder gerade deswegen ist Geld, wenn man beruflich mit Philosophie zu tun hat, ständig ein Thema. Weniger weil man damit besonders arm oder reich wird, sondern eher, weil viele erwarten, man müsse als Philosoph gut mit wenig Geld auskommen können oder gar auskommen wollen. Schließlich interessiert man sich ja für Höheres, sonst würde man seine akademischen Talente einer lukrativeren Disziplin zuführen wie etwa der Zahnmedizin oder der angewandten Mathematik. Ich erinnere mich noch, dass ich als junger Student einmal bei einer französischen Familie am Tisch saß und mich jemand fragte, was aus mir einmal werden würde. Bevor ich antworten konnte, warf jemand anderes ein: »Er braucht nicht viel, er ist ein Intellektueller!«

Schon in der griechischen Antike muss die Frage, warum man sich der Philosophie widmet, an der Tagesordnung gewesen sein. Eine berühmte Anekdote handelt davon, dass der Philosoph Thales von Milet (um 624–547 v. Chr.) einmal mit etwas, was man heute vielleicht als Agrarspekulation bezeichnen würde, viel Geld verdiente. Er prognostizierte bereits im Winter eine gute Olivenernte für den folgenden Sommer, mietete vorausschauend günstig zahlreiche Ölmühlen an und konnte diese dann Gewinn bringend untervermieten. So wollte er bewiesen haben, dass Philosophen mit ihren Fähigkeiten reich werden könnten – wenn sie denn wollten. Es sei ihnen aber eben anderes wichtiger.

In Zeiten, in denen sich viele Nachrichten um den drohenden Verlust von Wohlstand drehen, liegt die größere Provokation allerdings darin zu sagen, es gebe Wichtigeres als Geld. Fast so sehr wie die Religion hat ja auch die Philosophie zumindest in Teilen den Ruf, den Menschen idealistische Flausen in den Kopf zu setzen und sie damit davon abzubringen, sich um materielle Güter zu bemühen – ob nun einzeln oder in der Gemeinschaft.

Materiell denken immer die anderen

Trotzdem lohnt es sich, ab und zu darüber nachzudenken, was wichtiger sein könnte als materieller Wohlstand. Und vielleicht – spätestens da wird es auf jeden Fall philosophisch – auch darüber nachzudenken, wie wir dieses Thema eigentlich in unserer Gesellschaft behandeln. Es ist ja keine Minderheitenmeinung, dass Geld nicht glücklich macht und es mehr im Leben geben sollte als die Befriedigung profaner Bedürfnisse. Im Gegenteil: Unsere Wohnzimmer, Cafés und Postkartenstände sind voll von Sinnsprüchen dazu, wie wichtig die verschiedensten ideellen Werte sind – Liebe, Gelassenheit, Ehrlichkeit, Authentizität, Mut, gute Laune und was es da sonst noch so alles gibt. Die Mitmenschen, denen wir unterstellen, sie seien an nichts als an Wohlstand interessiert, haben dieselben Kalender an der Wand hängen wie wir.

Vielleicht ermöglichen sich die Vorstellungen davon, was im Leben wirklich wichtig ist, und die tatsächlichen Prioritäten oft gerade erst dadurch, dass sie nicht miteinander übereinstimmen. Damit meine ich nicht, dass Leute scheinheilig tun oder Ähnliches: Ich glaube, viele sind sich absolut sicher, im Leben ideelle Ziele zu verfolgen, und richten zugleich ihr faktisches Handeln vor allem auf das Geldverdienen und -ausgeben aus. Unsere Begriffe davon, wie das alles zu bewerten ist, sind ja möglicherweise selbst auch wieder ideologisch. Warum ist es gut, wenn ein Kind wenige Spielsachen hat? Warum ist es besser, 160 Euro für Opernkarten auszugeben statt für den Eintritt in einen Vergnügungspark? So etwas muss erst einmal jemand beantworten.

Gibt es vernünftige Rassisten? Hat nicht nur der Ärger unseres Vorgesetzten eine Ursache, sondern auch alles andere auf der Welt? Und was ist eigentlich Veränderung? Der Philosoph Matthias Warkus stellt in seiner Kolumne »Warkus’ Welt« philosophische Überlegungen zu alltäglichen Fragen an.

Auch wenn es manchmal hilft: Man braucht nicht Philosophie studiert zu haben, um Binsenweisheiten zu hinterfragen. Wer überzeugt ist, »wir alle« litten unter hohen Benzinpreisen, klammert den Teil der Bevölkerung aus, der nicht Auto fährt, aber auch jenen, der sich das teure Benzin problemlos leisten kann. Genauso ist es vielleicht etwas kurz gegriffen zu glauben, »den anderen« läge der materielle Wohlstand näher als die eigentlich wichtigen Dinge im Leben.

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