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Bundestagswahl Teil II:: Wer kommt ins Parlament?

Für das unerreichbare Ideal der proportionalen Sitzverteilung gibt es verschiedene Näherungen. Wieder kann keine von ihnen einige vernünftige Forderungen zugleich erfüllen.


Auf den ersten Blick ist es eine einfache Dreisatzaufgabe: Nach der Wahl sollen für jede Partei so viele Abgeordnete ins Parlament einziehen, wie ihrem Anteil an der Gesamtstimmenzahl entspricht. Wenn also P die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen ist und pi die Anzahl der Stimmen für die i-te Partei, dann soll sie qi=(pi /P)S Parlamentssitze erhalten, wobei S die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze ist. Nur ist die so berechnete "S-Quote" qi im Allgemeinen keine ganze Zahl. Da es keine halben Abgeordneten gibt, muss man nach einer "möglichst gerechten" Annäherung an das Ideal der proportionalen Aufteilung suchen.

Im Beispiel: Es seien 9 Millionen Stimmen abgegeben worden, davon 4,3 Millionen an Partei A, 3,3 Millionen an Partei B und 1,4 Millionen an C. Zu vergeben sind 9 Sitze, also einer für jede Million Stimmen.

Ein Verfahren besteht darin, jeder Partei zunächst den ganzzahligen Anteil ihrer Quote zuzuweisen: vier für A, drei für B und einen für C, denn diese Mandate stehen jeder Partei unstreitig zu. Der "Rest", das heißt der nicht-ganzzahlige Anteil der Quote, entspricht einer gewissen Anzahl an Stimmen, die zunächst nicht repräsentiert sind, also der jeweiligen Partei verloren gehen. Die nun noch zu vergebenden Sitze werden der Reihe nach an die Partei mit dem größten, dem zweitgrößten … Rest vergeben. Im Beispiel geht der einzige noch freie Sitz an Partei C, denn die hatte mit 0,4 Millionen unberücksichtigten Stimmen den größten Schaden durch die Abrundung erlitten. Dafür wird sie jetzt durch das zusätzliche Mandat mehr als entschädigt.

Das ist das Verfahren nach Hare/Niemeyer, auch Verfahren der größten Reste genannt. Es wird bei der deutschen Bundestagswahl angewandt .

Grundsätzlich anderer Art ist das Verfahren der größten Quotienten, das nach dem Belgier Victor d’Hondt benannt ist: Man dividiert die Stimmenzahlen nacheinander durch die ganzen Zahlenfolge 1, 2, 3 und so weiter. Das ergibt für A die Zahlen 4,30, 2,15, 1,43, 1,08, 0,86 … (alles in Millionen); für B: 3,30, 1,65, 1,10, 0,83 …; und für C: 1,40, 0,70, 0,47, 0,35 … Dann werden die Mandate in der Reihenfolge dieser Zahlen vergeben: Den ersten Sitz erhält A mit 4,3 Millionen, den zweiten B mit 3,3 Millionen Stimmen. Den dritten erhält A, weil 2,15 Millionen die nächstgrößte Zahl der Liste ist.

Verfahren von d’Hondt: Versteigerung von Mandaten

Das lässt sich wie folgt begründen: Wenn das Verfahren an dieser Stelle abgebrochen würde (etwa weil nur drei Mandate zu vergeben wären), dann würden auf jeden A-Sitz 2,15 Millionen Stimmen entfallen. Würde der letzte Sitz statt an A an B oder C vergeben, dann wäre ein B-Sitz schon für 1,65 Millionen Stimmen zu haben und ein C-Sitz für nur 1,4 Millionen. Mit dem Verfahren der größten Quotienten "versteigern" wir also die begehrten Güter, sprich Parlamentssitze, fortlaufend an die jeweils "meistbietende" Partei. Das führt dazu, dass am Ende auf jeden Sitz annähernd gleich viele Stimmen entfallen, einerlei welcher Partei er zugewiesen wurde. Im Beispiel erhält A fünf Sitze, B drei und C einen.

Zum selben Ergebnis kommt man mit einer äquivalenten Berechnungsart, die sich vor allem mit den heute verfügbaren Tabellenkalkulationsprogrammen bequem realisieren lässt: Man dividiert alle Stimmenzahlen durch die Anzahl der Stimmen, die theoretisch pro Sitz erforderlich wäre, im Beispiel also x=1000000, rundet – ebenso wie beim Verfahren der größten Reste – die Ergebnisse auf ganze Zahlen ab und weist den Parteien vorläufig die entsprechende Anzahl an Mandaten zu. Im Allgemeinen werden dadurch nicht alle Sitze besetzt. Man wiederholt nun die Rechnung mit immer kleineren Werten für x: Wenn zum "Preis" von einer Million nicht alle Sitze weggehen, senkt man langsam den Preis, bis die Gesamtzahl der so zugewiesenen Sitze den vorgegebenen Wert S erreicht. Im Beispiel ist das bei einem Preis von 0,85 Millionen Stimmen pro Sitz der Fall.

Eduard Hagenbach-Bischoff hat eine weitere Berechnungsart mit demselben Ergebnis angegeben: In einem ersten Schritt teilt man jeder Partei die abgerundete Quote bezüglich der Mandatzahl S+1 zu. Im obigen Beispiel mit S+1=10 ergibt das die Quoten 4,778 für A, 3,667 für B und 1,556 für C, womit zunächst A vier Mandate, B drei und C eines erhält. Da damit noch nicht alle Sitze vergeben sind, werden die Stimmenzahlen jeder Partei durch die um eins vergrößerte Anzahl der ihr bereits zugeteilten Mandate dividiert und das nächste Mandat der Partei mit dem höchsten Quotienten gegeben. In unserem Fall ergibt sich für A 4,3/5=0,86, für B 3,3/4=0,825 und für C 1,4/2=0,7. Damit geht das neunte Mandat an A. Wenn jetzt immer noch Sitze frei wären, müsste das Verfahren mit aktualisierten Werten für die bereits zugeteilten Mandate wiederholt werden.

Beide Systeme erscheinen durchaus plausibel, führen aber in der Regel zu unterschiedlichen Ergebnissen. Parlamentarier, die zwischen ihnen zu entscheiden haben, lassen sich meistens nur ausrechnen, wie viele Sitze ihnen das jeweilige System mit den Ergebnissen der letzten Wahlen gebracht hätte, und vergessen dabei, dass das System auch das Verhalten der Wähler beeinflussen kann. Der richtige Weg ist vielmehr, Verfahren unabhängig von früheren Situationen an ihren Eigenschaften zu messen.

Die Methode der größten Reste erfüllt die so genannte Quotenbedingung, das heißt, die Zahl der Mandate ist für alle Parteien mindestens der auf- oder höchstens der abgerundeten S-Quote gleich. Bei der Methode der größten Quotienten kann eine Partei zwar mehr als die aufgerundete S-Quote, aber nie weniger als die abgerundete S-Quote erhalten. So hätte 1998 die CDU mit 199 Sitzen einen mehr als die aufgerundete S-Quote von 198 erhalten. Andererseits sollen alle Wähler mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Das wäre dann am besten erfüllt, wenn hinter jedem Mandat dieselbe Zahl von Wählern stehen würde – was man nach der Verteilung in der Regel nicht erwarten kann. Dem demokratischen Prinzip "Ein Wähler, eine Stimme" kommt man mit der so genannten Minimax-Bedingung am nächsten: Das Minimum der Stimmen pro Mandat soll maximal werden. Und das ist für die Methode der größten Quotienten stets erfüllt. Für den deutschen Bundestag 1998 wäre das Minimum mit 70376 Stimmen pro Sitz (bei der CDU) größer gewesen als mit nur 69874 (bei der PDS) für die Restemethode.

Von einem guten System erwarten wir weiter, dass keine Partei Mandate verliert, wenn das Parlament vergrößert wird. Das ist die so genannte Hausmonotonie. Die Quotientenmethode erfüllt diese Eigenschaft, denn die Sitze werden ja nacheinander zugeteilt, sodass keine Partei einen einmal erhaltenen Sitz verlieren kann. Für die Restemethode trifft das jedoch nicht zu. Dies wurde in den USA entdeckt, als nach der Volkszählung von 1880 das US-Repräsentantenhaus erweitert werden sollte. Mit der damals verwendeten Methode der größten Reste wäre beim Übergang von 299 auf 300 Sitze der Anteil von Alabama von acht auf sieben Sitze zurückgefallen, wonach das Problem den Namen Alabama-Paradoxon erhielt.

Was wäre, wenn der Bundestag einen Sitz mehr hätte?

Im anfangs beschriebenen Beispiel würden bei einer Sitzzahl von 10 die S-Quoten für A 4,778, für B 3,667 und für C 1,556 betragen. Demnach gehen die Restsitze an die ersten beiden Parteien, und die Verteilung ist 5, 4, 1. Partei C bekommt also nur eines von zehn Mandaten statt zwei von neun.

Dieses Paradoxon kann man auch für den Bundestag von 1998 nachweisen. Wären nämlich 657 statt 656 Mandate zu vergeben gewesen, hätte die PDS ihren 36. Sitz wieder verloren, während SPD und FDP je einen zugelegt hätten. Das zeigt deutlich, dass der letzte PDS-Sitz auf wackligen Füßen stand.

Eine weitere wichtige Eigenschaft, die wir von einem guten System erwarten, ist die Mehrheitsbedingung: Eine Partei, die die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt, soll auch die Mehrheit der Sitze erhalten.

Es seien 5 Sitze unter drei Parteien mit A: 52, B: 33 und C: 15 Prozent der Stimmen zu verteilen. Nach dem Verfahren der größten Reste gehen je zwei Sitze an A und B und einer an C. Die kleineren Parteien erhalten also zusammen eine Mehrheit, obwohl A die absolute Mehrheit der Stimmen erzielt hat! Das deutsche Wahlrecht (1. Abschnitt, Paragraf 6) würde diese Anomalie korrigieren, nicht aber bei Stimmanteilen von 49, 33, 15 (sowie 3 Prozent für "Sonstige"). Wenn dagegen B und C als eine einzige Partei mit 48 Prozent der Stimmen aufträten, würden sie ihre Mehrheit verlieren! Die Quotientenmethode erfüllt im Gegensatz zur Restemethode stets die Mehrheitsbedingung. In dem angeführten Beispiel ergibt sich die Sitzverteilung 3, 2, 0.

Allgemein ist es unter der Restemethode für zwei Parteien von Nachteil, wenn sie in Form einer so genannten Listenverbindung als eine einzige Partei auftreten und erst in einem zweiten Schritt die errungenen Mandate unter sich aufteilen. Dagegen sind Listenverbindungen bei der Quotientenmethode sinnvoll und empfehlenswert. Nehmen wir an, für die Verteilung von fünf Mandaten auf die Parteien mit den Stimmenzahlen A: 700, B: 150 und C: 145 hätten sich B und C zusammengetan. Die Restemethode würde der Partei A vier Mandate und der Verbindung von B und C eines zuteilen. Ohne Listenverbindung würden B und C auf Anhieb je ein Mandat erhalten. Anders die Methode von d’Hondt: Bei 250 statt 145 Stimmen für C würde A drei Mandate und die Verbindung von B und C zwei Mandate erhalten. Ohne Listenverbindung bekäme A vier Sitze, C einen, und B ginge leer aus.

Bei den Bundestagswahlen schließen sich die Landeslisten jeder Partei regelmäßig zu einer Listenverbindung, der so genannten Bundesliste, zusammen. Wäre das 1998 nicht der Fall gewesen, so hätte die FDP auf Kosten der CDU und der Grünen zwei Mandate mehr erhalten.

Eine weitere vernünftige Forderung ist die nach Stimmenmonotonie: Wenn der Stimmenanteil einer Partei ansteigt, sollte ihr das nicht zum Nachteil ausschlagen, und umgekehrt. Die Restemethode erfüllt auch diese Forderung nicht, wie das folgende Beispiel zeigt:

Verliert nun B 200 Stimmen, während C 1200 gewinnt, so gewinnt sie trotzdem einen Sitz zu Lasten von A!

Für die Besetzung seiner Ausschüsse und für die Vergabe der Ausschussvorsitze im Verhältnis der Fraktionsstärken wendet der Deutsche Bundestag ein drittes Verfahren an, benannt nach André Sainte-Laguë. Im Prinzip gleicht es dem Quotientenverfahren nach d’Hondt; nur werden diesmal die Stimmenzahlen der Parteien nicht durch die Zahlen 1, 2, 3, … dividiert, sondern durch die ungeraden Zahlen 1, 3, 5, … Man kommt zum gleichen Ergebnis, wenn man wie bei der oben beschriebenen alternativen Berechnungsweise für das Quotientenverfahren einen passenden Divisor x verwendet, aber bei der Berechnung der Sitzzahlen das Ergebnis nicht abrundet, sondern auf die nächste ganze Zahl rundet. Für die im Kasten aufgeführte Bundesstagswahl hätte der Divisor den Wert x=70850. In diesem speziellen Fall ergibt sich dieselbe Sitzverteilung wie bei der Restemethode.

Sainte-Laguë: die Minimierung des Rundungsfehlers

Das Verfahren von Sainte-Laguë ist im Gegensatz zur Restemethode hausmonoton, erfüllt jedoch die Mehrheitsbedingung nicht, wie folgendes Beispiel zeigt.

Was zeichnet die Methode aus? Dem Ideal "möglichst gleiche Stimmenzahl pro Sitz" entspräche es, wenn dieser Wert pi/si (die "Vertretungszahl") für alle Parteien dem theoretischen Wert P/S so nahe käme wie möglich. Es sollen also mehrere Werte, die pi/si, möglichst wenig von einem anderen Wert abweichen. Das ist im Prinzip dieselbe Aufgabe wie einen Schätzwert zu finden, der möglichst gut zu einer Reihe fehlerbehafteter Messwerte passt. Seit Gauß verwendet man dafür die "Methode der kleinsten Quadrate": Das Ergebnis gilt als optimal, wenn die Summe der Quadrate der Abweichungen so klein ist wie nur möglich. In unserem Fall multipliziert man jedes Quadrat mit der Anzahl der Sitze, die es betrifft, minimiert also eine gewichtete Summe:

Das Verfahren von Sainte-Laguë ist nun genau dasjenige, das die so definierte Quadratsumme minimiert, und scheint daher auf den ersten Blick sehr plausibel. Doch gerade die letzten Jahrzehnte statistischer Forschung haben gezeigt, dass die Methode der kleinsten Quadrate kein Allheilmittel ist.

Man könnte statt dessen verlangen, dass die Unterschiede zwischen den Vertretungsziffern pi/si möglichst klein bleiben. Das läuft darauf hinaus, das Maximum der Beträge der Differenzen |pi/si – pj/sj| zu minimieren. Aus diesem Prinzip ergibt sich die Quotientenmethode von Huntington. Sie wird noch heute in den USA für die Zuteilung der Mandate des Repräsentantenhauses an die Bundesstaaten angewendet. Ihre Divisorenfolge ist

Das Ergebnis einer Division durch Null wird als unendlich interpretiert mit der Folge, dass jeder Staat mindestens ein Mandat erhält. Auch dieses Verfahren führt zu Paradoxien.

Wie werden die Mandate auf Teilregionen verteilt?

Bisher haben wir nur von den Parteien und ihren Sitzansprüchen gesprochen. Ein verwandtes Problem ist die Verteilung der Mandate auf die Länder (Bundesstaaten, Provinzen oder Kantone). Auf jedes Bundesland sollen so viele Sitze im Bundestag entfallen wie seiner Einwohnerzahl entspricht.

Für die Bundestagswahlen 2002 ist die Anzahl der Wahlkreise von bisher 328 auf 299 reduziert worden. Der nächste Bundestag wird also noch 598 Mitglieder zählen (plus möglicherweise Überhangmandate). Die Tabelle auf Seite 84 zeigt die durch Gesetz vorgenommene Zuordnung auf die Länder nach den Bevölkerungszahlen vom 31. Dezember 1999. Diese entspricht sowohl der Methode von Hare/Niemeyer als auch der von Sainte-Laguë. Würde man die Zahl der Wahlkreise mit der Quotientenmethode nach d’Hondt auf die Länder verteilen, so kämen auf einen Wahlkreis nie weniger als 245149 Einwohner (Bayern) im Gegensatz zu der gültigen Verteilung, wo das minimale Vertretungsverhältnis 238696 beträgt (Schleswig-Holstein). Drei Länder würden auf Kosten anderer Länder einen Wahlkreis hinzugewinnen.

Dank der Größe der Bundesländer enthält jedes mindestens zwei Wahlkreise. In Frankreich, in den USA und in der Schweiz muss man noch dafür sorgen, dass jeder Landesteil mindestens ein Mandat erhält. Deshalb verwendet man auch Quotientenverfahren mit anderen Divisoren wie das oben zitierte von Huntington. Bei der Verteilung der Nationalratsmandate in der Schweiz auf die Kantone und Halbkantone galt ab 1848, dass jeder Kanton oder Halbkanton auf 20000 Einwohner ein Mandat erhielt. Mit dem Wachsen der Einwohnerzahl stieg die Anzahl der Nationalräte von 111 auf 198 im Jahre 1922. Danach hat man die Vertretungsziffer auf 22000 und später nochmals auf 24000 erhöht. Nach den Wahlen von 1951 wurde dann die obige Restemethode eingeführt und die Zahl der Abgeordneten auf 200 beschränkt.

Auch hier gibt es triftige Argumente für die Quotientenmethode von d’Hondt. Denn die Konstante x kann ja gerade als Vertretungsziffer interpretiert werden, welche die Sitzzahl auf 200 beschränkt. Den Wahlkreisen, die eine kleinere Einwohnerzahl als die Vertretungsziffer haben, hat man eine Vorabzuteilung von einem Mandat garantiert und sie bei der Verteilung der übrigen Mandate ausgeschlossen. Diese Minimalgarantie hätte auch einfach so eingebaut werden können, dass die Summe der Sitzzahlen plus die Anzahl der Wahlkreise ohne Mandat den gewünschten Wert S=200 erreicht. Dem Argument, dass bei sehr unterschiedlichen Größen der Teilregionen die d’Hondt’sche Methode die kleineren benachteiligt, könnte man dadurch entgegenwirken, dass die Teilregionen geografisch zu Verbänden ähnlicher Größe zusammengeschlossen und die Mandate in einem zweistufigen Verfahren zuerst den Verbänden, dann den Teilregionen zugeteilt würden.

Was tun?

Unter den vielen möglichen Methoden gibt es keine, die nach allen Kriterien optimal wäre. Die geschilderten Paradoxien zeigen allerdings, dass Quotientenverfahren deutliche Vorteile gegenüber dem Resteverfahren besitzen.

Der einzige Kritikpunkt wäre, dass das Verfahren von d’Hondt unter Umständen den großen Parteien Vorteile bringt und somit die Quotenbedingung verletzt. Insbesondere können kleine Parteien nur Sitze gewinnen, wenn sie sich zusammentun und als Einheit den Wählern vorstellen. Da parlamentarische Demokratien auf stabile Regierungsmehrheiten angewiesen sind, sollten jedoch Wahlverfahren bevorzugt werden, welche Koalitionen belohnen und nicht bestrafen. Kleine Veränderungen in den Stimmenzahlen der Parteien sollten nicht zu rasch Umverteilungen nach sich ziehen. Unter diesem Aspekt hat die Methode mit den größten Quotienten, die von d’Hondt, deutliche Vorteile. Sie ist einfach zu verstehen und zu rechnen; sie ist stabiler als andere und kommt dem Grundsatz "Ein Wähler, eine Stimme" am stärksten entgegen.

Literaturhinweise


Fair Representation. Von M.L. Balinski and H.P. Young. Brookings Institution Press, Washington 2001.

Mandatszuteilungen bei Verhältniswahlen: Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen. Von Friedrich Pukelsheim in: Allgemeines Statistisches Archiv, Bd. 84. S. 447 (2000).

What Is Proportionality Anyhow? Von Hans Riedwyl und Jürg Steiner in: Comparative Politics, Bd. 27, S. 357 (1995).

How Proportional is Proportional Representation? Von D.R. Woodall in: The Mathematical Intelligencer, Bd. 8, S. 36 (1986).

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2002, Seite 80
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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