Direkt zum Inhalt

Mit einem Kenner durchs All

Das Ende der Welt könnte ganz plötzlich kommen. Dann nämlich, wenn sich das Universum in einem falschen Vakuumzustand befände, der leere Raum also nicht den energetisch günstigsten Zustand innehätte – was im Bereich des Möglichen liegt. Dann könnte jederzeit und an jedem beliebigen Ort das Vakuum plötzlich durch quantenmechanisches Tunneln in den Grundzustand fallen. Dabei würde pro Kubikzentimeter eine Energie von 1080 Kilowattstunden frei, eine Eins mit achtzig Nullen.

Einmal entstanden, würde sich die Vakuumzerfallsfront lichtschnell in alle Raumrichtungen ausbreiten. Es entstünde eine expandierende Blase richtigen Vakuums, Aberbilliarden Grad heiß und angefüllt mit einem brodelnden Teilchengemisch; ein Zustand, wie er ähnlich kurz nach dem Urknall existierte. Unnötig zu sagen, dass jedwede Struktur dabei augenblicklich zerstört würde, selbstverständlich auch wir. Tröstlich jedoch: Das Ende käme extrem schnell. Da die Zerfallsfront mit Lichtgeschwindigkeit heranrückt, kündigt sie sich vorher nicht an, und der Vakuumzerfall selbst löst alles in Sekundenbruchteilen auf. Zapp und Aus, ohne jede Vorwarnung – es wäre der humanste Tod, den man sich vorstellen kann.

Kurz und gut

Dieses Thema behandelt Ulrich Walter – neben vielen anderen – im vorliegenden Werk. Er flog als Astronaut mit dem Spaceshuttle und leitet heute den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der TU München. Sein Buch ist kurzweilig und erfrischend zu lesen, vor allem wegen des ungewöhnlichen Formats. Einige dutzend Kurzbeiträge, die auch in der N24-Sendereihe "Spacetime" verarbeitet wurden, füllen insgesamt 270 Seiten. Die Beiträge sind lose gruppiert und bauen kaum aufeinander auf, man kann sie also in weit gehend beliebiger Reihenfolge lesen.

Angesichts dessen, dass die Kapitel jeweils nur wenige Seiten umfassen, ist es erstaunlich, wie weit der Autor in den Stoff vordringt. Er behandelt Einsteins Relativitätstheorien, den kosmischen Mikrowellenhintergrund und dessen Bezug zur Urknalltheorie, Dunkle Materie und Dunkle Energie, Schwarzlochphysik und Wurmlöcher, Quantenfluktuationen und Parallelwelten, Außerirdische und anthropisches Prinzip, Exoplaneten und Marsmissionen. Das alles natürlich sehr gedrängt und weit gehend formelfrei, aber prägnant und erhellend. Wenn der Autor sich allerdings in die Lebenswissenschaften wagt und über chemische und biologische Evolution schreibt, wird er spürbar unsicher; hier kann er nicht so recht überzeugen.

Manche Einschätzung Walters überrascht. So hält er es nicht für völlig illusorisch, viele Millionen Menschen über interstellare Entfernungen zu transportieren. Er verweist auf "O'Neill-Kolonien", dutzende Kilometer große Raumarchen mit Fusionsantrieben, die bereits in den 1970er Jahren erfunden wurden und, so der Autor, schon mit den Techniken der damaligen Zeit realisierbar erschienen.

Unerwünschte Visite

In jedem Fall, das geht aus der Lektüre hervor, verschlänge ein interstellarer Flug gigantische Ressourcen. Das ist auch der Grund, warum wir lieber nicht darauf hoffen sollten, dass uns irgendwann Außerirdische besuchen. Wer aus den Tiefen des Alls hierher kommt, hat eine viele Generationen dauernde Reise hinter sich – in Raumschiffen, die wegen der nötigen Treibstoffmengen etliche hundert Meter groß sind. Sie auf interstellare Geschwindigkeiten zu beschleunigen, kostet Millionen Tonnen Treibstoff. Nach der Ankunft bei der Erde gäbe es deshalb wohl keine Möglichkeit mehr, einen zweiten Planeten anzusteuern. Außerirdische würden so etwas nur tun, wenn sie sehr triftige Gründe dafür hätten; jedenfalls nicht, um mit Erdenbürgern nachts Versteck zu spielen. Der Besuch von Aliens hätte vermutlich mehr Ähnlichkeit mit dem Film "Independence Day" als mit "E.T.".

Es gibt an dem Buch allerdings einiges zu kritisieren. Zunächst ist beim Titel noch Luft nach oben – in der jetzigen Form erinnert er irgendwie an Bud-Spencer-Filme, was gewiss nicht die Absicht war. Wirklich störend sind die vielen Fehler in Rechtschreibung und Satzbau, aber auch inhaltlicher Art. Offenbar hat niemand ernsthaft Korrektur gelesen, sonst wären solche Sätze nicht möglich: "10-12 s nach dem Urknall hatte sich das Universum von anfänglich 10-32 °C auf nur noch 10-15 °C, also 1.000 Millionen °C, abgekühlt." (sic) Dass die Bebilderung karg und nur in Grautönen gehalten ist, schmerzt nicht weiter; allerdings fragt man sich, warum der Autor mehrmals auf farbige Bildelemente verweist. Auch formuliert er nicht optimal, wenn er im Hinblick auf wissenschaftliche Theorien immer wieder schreibt, dass Wissenschaftler an diese "glauben". Zu guter Letzt blickt Walter auf künftige Marsmissionen und postuliert als Tag der ersten bemannten Marslandung den 2. August 2048. So weit, so gut, aber wieso befasst er sich in diesem Zusammenhang ständig nur mit den Amerikanern und der Nasa? Als gäbe es keine Russen, Chinesen, Inder, Japaner und so weiter.

Wer über diese Schwächen hinwegsehen kann, findet in dem Buch ein unterhaltsames, aufschlussreiches Werk – wegen der kurzen Beiträge und des handlichen Formats gern auch für unterwegs und zwischendurch.

Ergänzung der Redaktion vom 05.01.17: Der Verlag Komplett-Media teilt mit, dass der in der Rezension beanstandete Beispielsatz mit den fehlerhaften Potenzen in der aktuellen Auflage korrigiert ist.

Kennen Sie schon …

Sterne und Weltraum – Schwarze Löcher - Gibt es Singularitäten doch nicht?

Der Mathematiker Roy Kerr fand einen vermeintlichen Fehler in der Beschreibung schwarzer Löcher durch Roger Penrose und Stephen Hawking. Lesen Sie, weshalb seine Argumente nicht stichhaltig sind. Der Asteroid Apophis wird sich im April 2029 der Erde dicht annähern. Die ESA plant mit ihrer Mission RAMSES den etwa 350 Meter großen Gesteinsbrocken zu begleiten. Wir stellen die Initiative „Astronomie als Kickstarter“ in Schulen vor und komplettieren unsere Serie „Der Weg zum Deep-Sky-Foto“ anhand konkreter Arbeitsschritte in Bildbearbeitungsprogrammen.

Spektrum der Wissenschaft – Vorstoß ins All - Perspektiven und Grenzen der Raumfahrt

Bessere Teleskope gestatten zunehmend tiefere und präzisere Blicke ins Universum. Auf einige offene Fragen gibt es dank ausgeklügelter Instrumente jetzt endlich Antworten. Mit jeder einzelnen offenbart der Weltraum weitere Überraschungen, sowohl in unvorstellbarer Ferne als auch in der Nachbarschaft der Erde. Ihnen nachzuspüren erfordert große Anstrengungen, liefert jedoch zugleich faszinierende Erkenntnisse über unseren Platz im All. Umstritten ist, wie weit uns die Fortschritte in der Raumfahrt als Spezies führen. Einige träumen bereits von Hightech-Fabriken im Orbit oder halten gar dauerhafte Niederlassungen auf anderen Himmelskörpern für den nächsten logischen Schritt der menschlichen Zivilisation.

Spektrum - Die Woche – Liebes Gehirn, konzentrier dich doch mal!

Unser Gehirn empfängt ununterbrochen Reize aus unserer Umgebung. Wie können wir trotzdem fokussiert sein und uns auf bestimmte Dinge konzentrieren? In dieser Ausgabe der »Woche« widmen wir uns dem Phänomen der Aufmerksamkeit und Konzentration. Außerdem: Neutrino-Experiment KATRIN bekommt Konkurrenz.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.